Wiederaufnahme im Herbst 2019
Zu sehen bei den 37. Bayerischen Theatertagen am Landestheater Schwaben in Memmingen 2020.
„Wer bin ich, was ist Liebe, wer bist du?”
Mit diesen drei Fragen ergründen Olga Seehafer und Jakob Fischer die Liebe. Unter Einbezug der Wissenschaft (Soziologie, Psychologie, Mathematik), der Literatur (Prosa, Lyrik, Comic) und der Musik (Pop) sollte es kein Problem sein, das existentielle Gefühl der Menschheit zu erklären. Die Schauspielerin und der Musiker gehen einigen Unklarheiten auf den Grund: Wie verlieben sich Menschen? In wen? Warum fühlt sich das gut an? Oder schlecht? Das Stück basiert auf Liedern der Band Brotmüller, deren Texte die Facetten der Liebe thematisieren und mit musikalischen Stimmungen ausleuchten. Ein Musikredakteur des Bayerischen Rundfunks beschrieb das mal so: “Brotmüller trifft die Zwischentöne von Beziehungen: das Abwarten, die Ungeduld, eine drohende Enttäuschung, eine aufflackernde Lust. Die Lieder erzählen von vagen Gefühlslagen, die man kennt, aber kaum beschreiben kann.”
Die Protagonisten sind nicht nur Kollegen. Sie kennen sich schon lange und entwickeln ein Theaterstück, das keine Handlung hat, sondern eine Behandlung ist: dieses absurde Gefühl, das gleichsam maximales Glück und maximalen Schmerz erzeugen kann, muss endlich mal jemand in Angriff nehmen. Sie und er stürzen sich in aller gebotenen Sachlichkeit miteinander auf die Liebe. Da kann nix schief gehen. Ehrlich.
In einer Lagerhalle der Firma Dr. Robert Pfleger hat das TiG viel Platz, um Musik, Wort und Aktion zu einem essayistischen Theaterstück zu fusionieren.
Von und mit Olga Seehafer und Jakob Fischer
Inszenierung Olga Seehafer / Jakob Fischer
Kostüm Felix Gumbsch
Produktionsleitung Nina Lorenz
Spielort
Lagerhalle, Dr. R. Pfleger GmbH, Emil Kemmerstr. 33
Rezension
Gekonnt unter großem Einsatz von Mimik, Gestik und sogar Akrobatik – Frau ließ Mann äußerst lange an der Decke hängend schmoren – wird nun ernsthaft über die Problematik der unterschiedlichen Erwartungen, Denkweisen, Gefühlswahrnehmungen und Handlungsweisen der Menschen in Beziehungen diskutiert.
Eine Antwort auf die anfangs im Stück gestellte Frage, wie Beziehungsfähigkeit erlernt wird, sollte dies überhaupt möglich sein, wurde an diesem Abend nicht gegeben. Aber der überzeugende Auftritt von Olga Seehofer und Jakob Fischer regten zum Reflektieren und Nachdenken an.
Die Kostüme von Felix Gumbsch sind weiß, verbergen und betonen die Körper der Schauspieler gleichermaßen, sind aber entindividualisiert, wenn auch nicht charakterlos: klug gemacht also für die Inszenierung. Damit fügen sie sich gut in die kühle Halle, in deren langen, halb leeren Regalreihen, die auch voll ausgespielt werden, man blickt. Geschicktes Licht und sphärische Elektronikklänge zeugen von der lässigen Kühlheit, die Liebe verstehen zu wollen, während die Schauspieler die warme, menschliche Seite des Zwischenmenschlichen am allgemeinen Beispiel tänzerisch, akrobatisch und dialogisch vorspielen.
Das ist in etwa wie bei einer romantischen Komödie: Man weiß, was passiert, erfreut sich aber trotzdem dran. Sei’s drum. Selten sieht man am Ende einer Inszenierung solche Begeisterung des Publikums. Oder um mit Erich Fried zu sprechen, „es ist was es ist.“ Und das ist auch gut so.